Man weiß heute, dass jede Sage einen wahren Kern enthält. Folgende Geschichte klingt jedoch so realistisch, dass die Grenze zwischen Phantasie und Wirklichkeit verschwimmt. Bei unseren Recherchen entdeckten wir ein „Psychologisch kriminalistisches Nachtstück dargestellt von Otto Moser in der Wissenschaftlichen Beilage der Leipziger Zeitung von 1875“. In dem Bericht geht es um einen Hexenprozess, der sinnbildlich für die unzähligen unschuldigen Opfer der Hexenverfolgungen stehen kann. Der Text wurde nur leicht abgeändert, um ihn lesbarer zu machen…
Wir berichten von einem Verfahren, welches sich noch ganz in den ausgefahrenen Gleisen blinden Vorurteils und roher Willkür bewegt. Eine begüterte Witwe, Anna Rommel zu Bennungen, wird ihres Wohlstandes wegen der Zauberei verdächtigt. Am 29. April 1693 nach gehaltener Hausdurchsuchung wurde sie nach Roßla gefänglich eingezogen und im Gefängnisturm daselbst an Seilen in der Schwebe aufgehängt. Nachdem am 12. Mai das Zeugenverhör und die gütliche Vernehmung der Angeklagten beendet waren, wurden die Akten an den Schöppenstuhl zu Leipzig versendet, welcher am 20. Mai den Bescheid erteilte, dass die Angeklagte „ziemlicher Maßen“ mit der Tortur zu belegen sei. In Folge dieses Bescheides fand das peinliche Verhör der Inquisitin am 23. Mai, morgens um 3 Uhr, im Herrenhause und zwar in der im Grunde des Hauses gelegenen Folterstube statt. Die Angeklagte wird, da sie nicht gütlich bekennt, „mit Schärfe angegriffen,“ die Daumenschrauben werden ihr angelegt, dann wird sie mit den Banden geschnürt, dann an der Leiter aufgezogen und endlich werden ihr auf der Leiter noch die Beinschrauben (spanische Stiefel) angelegt. Die furchtbare Pein bewegt die Frau zu wahnwitzigen Geständnissen… Sie bekennt, wie sie von ihrer Mutter das Zaubern gelernt, wie diese ihr den „Vetter Hans“, ihren teuflischen Liebhaber, zugeführt habe, wie ihr Hans das Stigma Diabolicum mit seiner Klaue eingeritzt und sie dann mit Sumpfwasser umgetauft habe, wie sie mit ihm in fleischlicher Vermischung gelebt und von ihm Geld erhalten habe, wie sie auf seinen Antrieb und unter seinem Beistand unzählige Malefizien verübt habe. Kurz, sie bekennt den ganzen „Wahnsinnstraum mit Teufelsgestalten und Hexentreiben“, der damals Jahrhunderte lang wie ein böser Alp auf Herz und Leben der Menschen lag. Am 3. Juni bestätigte die Unglückliche ihr Bekenntnis „in der Güte“ und am 13. Juni wurde sie auf einem unfern Bennungen gelegenen Anger bei langsamen Feuer lebendig verbrannt. „Ihr schönes Gut verzehrten die Gerichtskosten und was übrig blieb, nahm der Grundherr. Noch Kind und Kindeskind aber erzählten von der Hexe zu Bennungen, die den Feuertod starb.“ Nur deshalb ist die tragische Geschichte der Anna Rommel im Gedächtnis geblieben, denn man unternahm alles, damit heute von ihr weder ein Eintrag in den Geburts- und Trau-, noch in den Sterbe-Registern zu finden ist. Wir halten das Gedächtnis an Anna Rommel in Ehren und hoffen, dass sie für ihre Peiniger tatsächlich zum Alp wurde. Heute und für immer ist sie ein Teil der Schattenwelt! Gebt Acht!